Zur Ordnung - Die Zerstörung

Zitiert aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, Freitag, 6. Oktober 2006, Nr. 232 / Seite 13

Die Reformarbeit der schwarz-roten Regierungskoalition könnte nun in den Bereich des ordnungspolitischen Vandalismus vorstoßen. So muß man wohl kennzeichnen, was als teils gewolltes, teils geduldetes, im wirren Wust der Verhandlungen jedenfalls, aufscheinendes Ergebnis der Bemühungen um eine Gesundheitsreform droht: die Zerstörung der privaten Krankenversicherung. Wenn es den Versicherungen und den Versicherten nicht gelingt, mit der Ankündigung einer Welle von Verfassungsklagen solche Reformirrungen zu verhindern, dann wird mit einem technisch anmutenden Eingriff in das Vertragsrecht das deutsche Gesundheitswesen den Doktrinen des Gesundheitssozialismus und den Praktiken der Staatsmedizin überantwortet werden.

Natürlich wird nicht offen zum Verbot privater Krankenversicherungen ausgeholt. Das wird über Kalkulationsvorschriften und einen sozial drapierten Kontrahierungszwang ins Werk gesetzt. Den Rest erledigt die Logik des Versicherungsmarktes dann von selbst. Wenn man die Liste des Initiationsverfahrens dieses Zerstörungsprozesses erst einmal durchschaut, sieht alles ganz einfach aus. Im Rahmen der Gesundheitsreform werden die privaten Krankenversicherer verpflichtet, den 'Basistarif' eines Versicherungspaketes vorzuhalten, das dem Leistungsvolumen und dem Beitrag entspricht, die die gesetzlichen Kassen unter dem Dach des Gesundheitsfonds anbieten werden. 'Was ist daran für die Versicherungen bedrohlich?' könnte man fragen. Was die gesetzlichen Kassen leisten, wird die Privaten doch nicht in die Knie zwingen. Doch, das wird es. Die gesetzlichen Kassen sollen nämlich keineswegs mit den politisch festgelegten Beiträgen auskommen müssen. Geraten sie in Not, dann tun sich zwei Hilfen auf. Die Kassen können einen 'Zusatzbeitrag' von ihren Versicherten erheben; und sie können darüber hinaus auf die Zuweisung von Haushaltsmitteln rechnen. Die privaten Versicherer können das selbstverständlich nicht.

Um nachzuvollziehen, mit welchem Raffinement von einigen der federführend an dieser Gesundheitsreform Mitwirkenden gegen das Prinzip des Privatwirtschaftlichen gearbeitet wird, muß man sich klarmachen, was mit dem so harmlos aussehenden Hebel 'Basistarif' den privaten Versicherern angetan werden soll. Sie dürfen erstens die Risikobewertung - also die eigentliche Ratio ihres Gewerbes - für einen unabsehbar großen Teil ihres künftigen Geschäftes, nämlich für das Basispaket, nicht anwenden. Sie werden zweitens einem Kontrahierungszwang unterworfen, der jedem wettbewerblichen Marktauftritt fremd ist. Und sie müssen drittens - ebenfalls wegen des Basispakets - erhebliche Teile der Kostensteigerungen des Gesundheitswesens auffangen, ohne die finanziellen Hilfen zu bekommen, auf die die gesetzlichen Kassen setzen dürfen. Was daraus folgt, ist klar: Die in Deutschland tätigen privaten Krankenversicherer müssen aufgeben, weil sie von der Kapitalauszehrung heimgesucht werden oder weil sie zum Ausgleich der ihnen gesetzlich auferlegten Kosten so teuer werden müßten, daß das Geschäftsvolumen rapide sinkt. Die private Krankenversicherung würde zu einer schrumpfenden Nischenveranstaltung, der gnadenhalber ein Plätzchen im großen Fonds anzubieten wäre. Und das Ganze wie von selbst ablaufend in einem 'Markt'-Prozeß, der mit einer antimarktwirtschaftlich angelegten Gesundheitsreform absichtsvoll losgetreten wird. 'Chapeau!' müßte man sagen, wenn ein solches Effizienzkompliment sich nicht aus moralischen Gründen verbieten würde.

Die privaten Krankenversicherer sind gewillt, ihre Sache mit allen Mitteln des Rechtes zu vertreten. Sie werden hoffentlich nicht ohne Hilfe sein, denn es geht hier nicht nur um 'ihre' Sache im Sinne eines Brancheninteresses. Es geht um Ordnungspolitik, und es geht um das Maß dessen, was sich eine Gesellschaft an Impertinenz von der Politik bieten läßt. Die Reform, die sich jetzt - täglich mit neuem Unfug aufwartend - am Horizont abbildet, sollte es nicht geben. Dann lieber keine. Dieses Koalitionsgewürge wird nicht ewig währen. Und das hofften doch schon die Bremer Stadtmusikanten: Besseres finden wir allemal.

HANS D. BARBIER

Der Autor ist Vorsitzender, der Ludwig-Erhard-Stiftung.


HANS D. BARBIER, Der Autor ist Vorsitzender, der Ludwig-Erhard-Stiftung.


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